Roadtrip durchs Freilichtmuseum
Wir haben viel vor in Sachsen-Anhalt: sechs Städte und fünf UNESCO-Welterbestätten in nur zwei Tagen. Das wirklich Erstaunliche ist: Zwischen unseren Stationen Lutherstadt Wittenberg, dem Gartenreich Wörlitz, Dessau, Halle, Lutherstadt Eisleben und Quedlinburg liegt maximal eine Stunde Fahrt. Das gibt es nur hier – mitten in Deutschland. Natürlich nehmen wir bei der Gelegenheit auch gleich die Jugendherbergen genauer unter die Lupe. Also: Fahrt ab!
Station #1 – Luther, Luther, Luther!
Wir starten in der Lutherstadt Wittenberg und werden direkt vom imposanten Lutherhaus empfangen, in dem Martin Luther ab 1508 als Mönch und später auch mit seiner Familie lebte. Man muss sich mal auf der Zunge zergehen lassen, dass das 509 Jahre her ist! Bestaunen kann man hier zum Beispiel die Kanzel Luthers aus der Stadtkirche, eine Original-Mönchskutte Luthers und die Zehn-Gebote-Tafel von Lucas Cranach. Ziemlich lebendiger Geschichtsunterricht.
Das 50.000-Einwohner-Städtchen hat aber noch viel mehr zu bieten, denn auch das ganze Stadtbild und insbesondere die Schlosskirche, die Stadtkirche St. Marien und auch das Melanchthon-Haus haben seit dem 16. Jahrhundert viel miterlebt. In dieser Zeit ist kulturell und politisch eine ganze Menge in der Stadt passiert. Heute schaffen wir es leider nicht, uns alles anzuschauen.
Dafür überrascht uns die Jugendherberge: Sie wurde in den ehemaligen Räumen der kurfürstlichen Residenz Friedrichs des Weisen eingerichtet – übrigens direkt neben Martin Luthers „Thesentür” – und ist heute lebendiger, bunter Unterschlupf für alle, die Lust auf Gemeinschaft haben. Regionalleiter Florian Mädicke schließt für uns die schwere Holztür zum Lutherkeller auf. Lange hat er darum gekämpft, dass die Originalrequisiten des Films Luther aus dem Jahr 2003 mit Ralph Fiennes hier gezeigt werden.
In den Kellergewölben, gesäumt von mittelalterlichen Büchern, Waffen und Kleidungsstücken, können Schulklassen ein richtiges mittelalterliches Mahl einnehmen. Für die Zeitreise wird auf viele Details geachtet. Die herzhafte Küche wird zum Beispiel mit den Fingern von den Tellern geschaufelt. Messer und Gabel wurden erst deutlich später benutzt.
Station #2 – Grün ist unsere Farbe!
Nicht mal eine halbe Stunde fahren wir zu unserer nächsten Station: dem Gartenreich Dessau Wörlitz. Über 140 Quadratkilometer umfasst die Parkanlage entlang der Elbe im Biosphärenreservat Mittelelbe – viel zu groß, um es an nur einem Tag anzusehen. Wir genießen die Sonnenstrahlen im Park und am Schloss Wörlitz. Auf dem Wörlitzer See können wir heute leider noch nicht Bootfahren, den Spaß lassen wir uns dadurch aber nicht nehmen! Also genießen wir noch ein wenig das Grün. Schade, dass wir schon so schnell weiter müssen.
Station #3 – Rational – Cool – Bauhaus
Ziemlich neugierig machen wir uns auf den Weg zur nächsten Welterbe-Attraktion – nach Dessau. Wieder sind wir gerade einmal eine halbe Stunde unterwegs. Wirklich erstaunlich, wie viele weltbekannte Highlights es hier auf so kleiner Fläche zu sehen gibt. Vom Bauhaus haben
wir vorher schon viel gehört – irgendwie kultig sind die Möbel und Wohnaccessoires. Heute wollen wir mehr wissen, schließlich ist das Bauhaus eine weltweite Attraktion.
Im Museum erfahren wir, dass das Bauhaus die einflussreichste Bildungsstätte
im Bereich Architektur und Kunst des 20. Jahrhunderts war. Auch heute kommen viele junge Leute aus der ganzen Welt hierher, um zu studieren. Designliebhaber und Steve-Jobs-Fans kommen hier auf ihre Kosten.
Das Bauhaus Dessau entstand schon 1925 nach den Plänen von Walter Gropius als Schulgebäude für die Kunst-, Design- und Architekturschule Bauhaus. Durch den Zweiten Weltkrieg wurden einige Gebäudeteile in den Siebzigerjahren rekonstruiert. Die Bauhausstätten in Dessau und Weimar gehören seit 1996 zum UNESCO-Welterbe. Überall laufen interessierte junge Menschen herum. Wir hören viele Sprachen. Wahrscheinlich sind es Studierende oder welche, die es gerne werden wollen.
Nur vier Minuten Fahrt später sind wir schon im Gespräch mit den Mitarbeitern der Jugendherberge hier vor Ort. Es läuft tanzbare Musik und wir schlendern durch die bunten Gänge. Jugendherberge heißt hier auch, dass einen auf der Treppe die Rentner freundlich grüßen. Das Publikum darf durchaus gemischt sein. Vom Garten aus bestaunen wir den Neubau der Jugendherberge, der natürlich an das Bauhaus erinnert. Noch ist es recht kühl draußen. Aber wir können uns schon richtig gut vorstellen, wie toll man den großen Garten in den warmen Monaten nutzen kann.
Station #4 – Gute Nacht
Fröhlich-platt und mit jeder Menge toller Eindrücke kommen wir abends in Halle an. Die Mitarbeiter der Jugendherberge Halle empfangen uns wie alte Bekannte und wir fühlen uns direkt wohl. Gemeinsam tigern wir nochmal los, um Halles City zu entdecken. Es sind superviele junge Leute unterwegs und das unter der Woche. In der Kleinen Ulrichstraße lassen wir uns in einer von vielen sehr gut besuchten Bars kaputt, aber zufrieden nieder. Halle ist eben auch eine Studentenstadt.
Zurück in der Jugendherberge schlafen wir mit Sicht auf die Pauluskirche bestens. Wir stärken uns zum Frühstück mit Brötchen und allerlei (sogar veganem) Aufschnitt und machen uns, natürlich nachdem wir abgeräumt haben, sofort wieder auf. Mission: Kulturgeschichte entdecken.
Station #5 – Luther – Klappe die Zweite
Von Halle cruisen wir gemütlich weiter in die Lutherstadt Eisleben. Die Stadt finden wir richtig süß mit ihren kleinen Gässchen, alten Fachwerkhäusern und einem schönen Marktplatz, wo heute buntes Markttreiben herrscht.
Eisleben ist aber eben nicht nur eine Stadt mit einem tollen historischen Stadtkern, sondern auch Zeugin Martin Luthers Wirkens – hier ist der Reformator nämlich 1483 geboren und 1546 gestorben. Das heute im lutherschen Geburtshaus eingerichtete Museum erzählt vom Leben des Reformators. Sein Sterbehaus liegt oben auf dem Kirchplatz, mitten in der Stadt, und ist Teil des täglichen Treibens der Stadt.
Station #6 – ein einziges Freilichtmuseum
Fast ein bisschen wehmütig treten wir unsere letzte Etappe an. Schon richtig gut mit der Stimme unseres Navis befreundet, lassen wir uns zu unserer letzten Station unseres Roadtrips – Quedlinburg – navigieren. Rund eine Stunde sind wir unterwegs, um dann aus dem Staunen nicht mehr herauszukommen.
Damit hätten wir nicht gerechnet: Quedlinburg kommt uns vor, als hätte ein Hollywood-Film-Team hier eine wahnsinnige Kulisse für einen Mittelalterfilm aufgebaut. Wir können nicht glauben, dass in der inneren Altstadt über 2.000 Häuser aus acht Jahrhunderten so gut erhalten sind. Kein Wunder, dass die gesamte Altstadt zusammen mit Schloss und Stiftskirche auch zum UNESCO-Welterbe gehören.
Wir lassen uns durch die historische Kulisse treiben und landen irgendwann in der Jugendherberge, die nur einen Katzensprung vom Marktplatz entfernt ist. Die ehemalige Bauscheune aus dem 17. Jahrhundert ist klein und gemütlich. Wo damals Pferde standen, wird heute gemeinsam gegessen. Die riesige Sonnenterrasse lädt ein, hier ein bisschen die Seele baumeln zu lassen. Das gesamte Dachgeschoss ist heute ausgebaut und bietet aufgrund seiner guten Akustik einen tollen Platz für Proben und Konzerte.
Unser Roadtrip nimmt hier in Quedlinburg sein Ende und wir sind immer noch ganz baff, als wir uns auf den Rückweg machen. Wir haben so viel Neues entdeckt und so viel deutsche Kulturgeschichte hautnah erlebt, wie es wohl kein Besuch in einem Museum, ein Buch oder Film alleine kann. Und das in nur zwei Tagen. Gestresst sind wir nicht. Im Gegenteil, wir fühlen uns fast ein bisschen berauscht von der ganzen Geschichte!
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