Schreiben und Lernen wie zu Luthers Zeiten

Wir stecken mittendrin im Lutherjahr: Seit 31. Oktober 2016 wird vor allem in Eisenach auf 500 Jahre Reformation und die Bedeutung Luthers zurückgeblickt. In der vergangenen Woche habe ich Euch von meinem Versuch, die besten Plätze fernab von Wartburg und Stadtmuseum aufzuspüren, berichtet. Dank der Wahl-Eisenacherin und Citybloggerin Caro ist das gut gelungen. In den letzten Stunden meines Aufenthaltes in der Lutherstadt wollte ich dann aber doch noch ein wenig in die Geschichte des beginnenden 16. Jahrhunderts eintauchen – aber bitte nicht zu dröge und theoretisch. Geht das in Eisenach? Ja, das geht!

Möglich macht es das Lutherhaus (Lutherplatz 8) mit seiner angeschlossenen Werkstatt und der Nachbildung eines Schulzimmers aus Luthers Zeiten. Vielleicht grübelt der ein oder andere von Euch gerade, warum sich ausgerechnet in Eisenach so viel um Luther dreht. Ist er dort geboren? Hat er da seine Thesen angeschlagen? Wie war das doch gleich?

Luther in Eisenach: Das Wichtigste in wenigen Zeilen

Weder noch. Martin Luther kam das erste Mal als fünfzehnjähriger Schüler nach Eisenach. An einer Schule zu lernen war damals alles andere als selbstverständlich, es war ein teures Privileg. Dementsprechend war es nicht unüblich, dass sich Schüler als sogenannte Kurrendensänger etwas hinzuverdienten. Sie zogen von Haus zu Haus und sangen vor, um etwas für den Lebensunterhalt hinzuzuverdienen. Der Überlieferung nach klingelte Luther eines Tages bei Ursula Cotta, die im heutigen Lutherhaus lebte. Sie war derart begeistert von dem Knaben, dass sie ihn bei sich aufnahm. Als Gegenleistung gab Martin Luther dem jüngsten Sohn der Familie Cotta Nachhilfe.

Insgesamt verbachte Luther vier Jahre in Eisenach. 1501 verließ er die Stadt, die ihm aber ausgesprochen ans Herz gewachsen war. 1514 wird Martin Luther Theologieprofessor in Wittenberg, der Stadt, in der er 1571 der Legende nach seine 95 Thesen anschlug, die den Ablasshandel der Kirche klar kritisierten. 1521 kehrte er zum Schutze vor seinen Gegnern nach Eisenach zurück. Er versteckt sich auf der Wartburg und übersetzt in den folgenden Monaten das Neue Testament vom Altgriechischen ins Deutsche, womit er den gesellschaftlichen Umbruch einläutet, den wir heute als “Reformation” bezeichnen.

Das neue Lutherhaus

Über all diese Zusammenhänge informiert das Lutherhaus in seiner Dauerausstellung. Das Haus wurde 2015 nach umfangreichem Umbau neu eröffnet – und das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen. Die alte Fachwerk-Struktur wurde im Inneren mit modernen Museumsräumen in einen stimmigen Einklang gebracht. Der neue Anbau, über den man das Lutherhaus betritt, erfüllt alle Voraussetzungen für ein zeitgemäßes Ausstellungshaus. Mein Tipp: Schaut auch mal auf die Rückseite des historischen Lutherhauses. Dort zwinkert Euch der Reformator in einem großen schwarz-weißen Graffiti des Künstlers Max Kosta entgegen.

Kalligraphie und Buchdruck für Schulklassen

Was mir am Lutherhaus ebenfalls schnell auffiel, war der Seiteneingang zur sogenannten “Werkstatt”. Hinter den kleinen Fenstern konnte ich viel Papier sowie Federn und Stifte auf den Tischen erspähen. Farbtuben. Tintenfässchen. An der Wand weiße Malerschürzen. Auch ein Schreibpult war zu sehen. Was es mit dieser Werkstatt auf sich hat, erfuhr ich im Gespräch mit Museumspädagogin Dolores Raßmann: In ihr finden regelmäßig Kalligraphie- und Buchdruckkurse statt. Schreiben wie zu Luthers Zeiten und drucken wie eint Gutenberg – das lernen Gruppen, darunter zahlreiche Schulklassen, hier in einstündigen Workshops. Mindestens fünf TeilnehmerInnen müssen für einen Kurs zusammenkommen, maximal haben 24 Personen Platz. Eine frühzeitige Anmeldung kann ich Euch nur empfehlen: Allen Angaben nach sind die Termine immer Wochen im Voraus ausgebucht.

Ich wollte natürlich nicht gehen, ohne auch selbst etwas auszuprobieren. Ich entschied mich für Feder und Papier. Dolores Raßmann reichte mir eine Vorlage mit dem Alphabet in Luthers Lieblingsschrift, der “Schwabenbacher”, und ich fühlte mich plötzlich wieder wie eine Erstklässlerin. Erinnert Ihr Euch noch wie man damals auf den viele kleinen Linien die ersten Buchstaben übte? Groß- und Kleinschreibung ausprobierte? Ja, so ungefähr saß ich da. Eine kleine meditative Pause vom Alltag war das. ich verstehe nun etwas besser, warum in den letzten Jahren der Lettering-Hype ausgebrochen ist. Das hat was!

Als hätte es mir Dolores Raßmann an der Nasenspitze angesehen, dass ich in Erinnerungen an meine Grundschulzeit schwelgte, verriet sie mir, dass sich nur ein Stockwerk höher tatsächlich ein Klassenzimmer befindet. Aber keines, das ich bislang kannte.

Guten Morgen, Herr Magister!

Im Lutherhaus befindet sich die Nachbildung eines spätmittelalterlichen Unterrichtsraumes. Statt eines “Lehrers” lehrte damals der “Magister” in seinem als “Schaube” bezeichneten Gewand, der Unterricht begann um 6 Uhr, Ferien gab es nicht und wer die unkonzentrierteste Leistung der Gruppe erbrachte, musste am Ende des Tages einen Eselskopf tragen.

Diese und andere Informationen erhalten Gruppen natürlich nicht wie ich im Gespräch, nein, sie erleben es ganz praktisch: 60 Minuten schlüpfen die TeilnehmerInnen einer historischen Schulstunde in eine festgelegte Schüler-Rolle und absolvieren Latein- und Arithmetik. Zehn Personen sollte die Gruppe umfassen, maximal finden 20 Personen einen Platz auf den Schulbänken. Und es ist ausdrücklich nicht nur ein Angebot für Kinder und Jugendliche, auch Erwachsene sind willkommen.

Ein Besuch im Lutherhaus ist meiner Ansicht nach ein Muss für jeden Eisenach-Touristen, der Besuch der Wartburg auch (der einzige Ort in Eisenach, den ich bereits vor meinen diesjährigen Kurzbesuches gesehen habe).

Und wenn Ihr dem Flair einer alten Villa mit knarzenden Treppen und großen Flügeltüren nicht widerstehen könnt, dann seid Ihr in der Jugendherberge Eisenach auf jeden Fall richtig. Das Team freut sich so oder so auf Euren Besuch!

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