Mein Tag als Turm-Meister

Arbeitsplatz mit Aussicht: Hausmeister oder besser „Turm-Meister“ Wolfgang Schlechta hält alle sieben Etagen des Wangerooger Westturms in Schuss. Wir haben ihn die 133 Stufen bis ganz nach oben begleitet.

„Ich muss mir genau überlegen, welches Werkzeug ich brauche, ansonsten heißt es: alle Stufen wieder runter und dann nochmal rauf.“ Wenn Wolfgang Schlechta im Wohnturm der Jugendherberge Wangerooge im Einsatz ist, braucht er eben eine gute Planung – und eine gute Kondition. Dafür belohnt ihn der Ausblick vom 56 Meter hohen Gebäude. „Bei gutem Wetter kann man sogar Helgoland sehen“, sagt er.

Einen Aufzug gibt es nicht in dem Baudenkmal, das mit sieben Stockwerken zu den höchsten Jugendherbergen Deutschlands zählt. „Ich bin verliebt in die Insel“, gesteht der gebürtige Bayer mit deutlichem Allgäuer Akzent. So traf es sich gut, dass seine Frau die gleiche Liebe hegte und die beiden gemeinsam von Süddeutschland in den hohen Norden übersiedelten. Das war vor anderthalb Jahren. Seitdem arbeitet der gelernte Schreiner als Hausmeister in der Jugendherberge, auch seine Frau fand dort eine Anstellung. Ihren neuen Arbeitsplatz kannten die beiden ganz genau: 13 Mal waren sie zuvor bereits als Urlauber dort zu Gast. Als Wolfgang Schlechta von seinem Vorgänger gefragt wurde, ob er nicht den Job als Hausmeister übernehmen wolle, sagte er sofort zu, „und ich habe es keine einzige Minute bereut.“

Der Westturm der Jugendherberge Wangerooge und Wahrzeichen der Insel
Der Westturm der Jugendherberge Wangerooge und Wahrzeichen der Insel

Auf Hasenjagd mit kleinen Gästen

Bei schönem Wetter stellt sich an einem normalen Arbeitstag nach wie vor so etwas wie Urlaubsfeeling ein. Aber natürlich kann es auch hektisch werden, wenn turbulente Schulklassen abreisen und die nächsten Gruppen kurz darauf einchecken. Schranktüren richten, Leuchten austauschen, Fensterbänke reparieren – all das gehört zu den üblichen Aufgaben eines Hausmeisters.

Spezieller ist sein Job als Tierpfleger: Hühner, Hasen und Meerschweinchen versorgt er tagein tagaus. Das Hühnerhaus hat er als Holzfachmann selbst gezimmert. Hin und wieder gelingt es einem der schlauen Hasen, aus dem Gehege auszubüxen. Doch dann kann sich Wolfgang Schlechta sicher sein, dass ihn immer einige der jungen Gäste bei der Jagd nach den Ausbrechern unterstützen.

Der ehemalige Busfahrer genießt die Autofreiheit

Die Stelle in der Jugendherberge hat ihm einen Nebenjob beschert: In „Wolfgangs Fahrradverleih“ versorgt er die Besucher mit Zweirädern. Beim Umsatteln half ihm seine Schwiegertochter, die gelernte Fahrradmechanikerin ist. „Ich war 20 Jahre lang als Busfahrer unterwegs. Deswegen genieße ich es, dass es hier keine Autos gibt.“

Für die Inselliebe hat der 55-Jährige sein Leben umgekrempelt: „Heute arbeite ich da, wo ich früher Urlaub gemacht habe, und mache dort Urlaub, wo ich bislang gewohnt habe.“ Jetzt fahren die Schlechtas regelmäßig 650 Kilometer gen Süden, um die alte Heimat zu besuchen.

 

24h als Hausmeister bzw. Turm-Meister

6:45 Uhr: Füttern

Füttern

6.45 Uhr: Mit den Hühnern aufstehen. Okay, die sind natürlich längst wach, wenn Wolfgang Schlechta mit dem Futter für den kleinen Herbergszoo erscheint. Für ihn selbst gibt es erst beim Frühstück um etwa 8 Uhr etwas zu picken.

9 Uhr: Schrauben

Schrauben

9 Uhr: Jetzt wird am Rad gedreht. In „Wolfgangs Fahrradverleih“ startet die Frühschicht: Räder flottmachen und rausgeben. Passt die Sattelhöhe? Funktioniert die Handbremse? Wird ein Korb benötigt? Plus: Tipps für die tollste Inseltour.

11 Uhr: Reparieren

Reparieren

11 Uhr: Der PC sagt, wo es langgeht. Hier sind sämtliche kleinen Mängel aufgelistet, die nacheinander behoben werden: Von der Leuchte bis zur Gardinenstange – der Hausmeister macht alles wieder heil.

13 Uhr: Vespern

Vespern

13 Uhr: Kurze Mittagspause. Im Sprachjargon von Wolfgang Schlechta heißt das – selbst von der Nordsee umwogen – nach wie vor „vespern“. Anschließend steht der Bayer frisch gestärkt auf friesischem Grund weiter seinen Mann.

14 Uhr: Gärtnern

Gärtnern

14 Uhr: Mähen bis zum Sturm. Noch ist das Wetter gut, deswegen wird noch schnell der Rasen gemäht. Weil ein Unwetter angesagt worden ist, macht Wolfgang Schlechta anschließend das gesamte Gelände sturmfest – Routine auf der Insel.

17:30 Uhr: Rechnen

Rechnen

17.30 Uhr: Zweite Schicht im Fahrradverleih. Zum Glück regnet es noch immer nicht, die Kunden bringen die Räder trocken zurück. Einnahmen verbuchen, nächsten Tag planen – und: Feierabend!

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