Wie sollten Lehrkräfte Rassismus und Rechtsextremismus auf Klassenfahrten begegnen?

Es reichen sich Menschen mit verschiedenen Hautfarben die Hände.

In einer Welt, in der Rassismus und Rechtsextremismus leider immer noch präsent sind, steht das Wohl von Kindern und Jugendlichen an erster Stelle – besonders auf Klassenfahrten, wo sie auf unbekanntes Terrain stoßen. Klaudia Kachelrieß, schulpolitische Referentin bei der GEW Berlin, ist eine erfahrene Expertin auf diesem Gebiet und teilt ihr umfassendes Wissen, um Lehrkräfte auf mögliche Herausforderungen vorzubereiten. Sie betont die Bedeutung einer sorgfältigen Planung und eines bewussten Umgangs mit potenziellen Gefahrensituationen. Mit präventiven Strategien und klaren Handlungsanweisungen für den Ernstfall bietet sie Lehrer*innen nicht nur praktische Lösungsansätze, sondern auch Hinweise auf ein Netzwerk an Unterstützungsorganisationen. Erfahre im Interview, wie du als Lehrkraft eine sichere und inklusive Umgebung auf Klassenfahrten schaffen kannst und welche Ressourcen dir in schwierigen Situationen zur Seite stehen.

Könnten Sie sich zu Beginn kurz vorstellen und uns etwas über Ihre Erfahrungen und Expertise in Bezug auf das Thema Rassismus und Rechtsextremismus, insbesondere im Kontext von Klassenfahrten, erzählen?

Mein Name ist Klaudia Kachelrieß und ich arbeite als schulpolitische Referentin beim Berliner Landesverband der GEW. Als Bildungsgewerkschaft setzen wir uns nicht nur für bessere Arbeitsbedingungen in allen Bildungsbereichen ein, sondern auch für ein inklusives, emanzipatorisches und gerechtes Bildungswesen ein. Das bedeutet, wir beschäftigen uns auch mit gesellschaftspolitischen Themen, denn letztlich werden alle gesellschaftlichen Themen auch ein stückweit im Raum Schule verhandelt. Zu meinen Themengebieten gehören unter anderem Inklusion, Diskriminierungsschutz und Gewaltprävention. Dazu biete ich auch regelmäßig Beratung und Fortbildungen für Lehrkräfte und weitere pädagogische Fachkräfte an. In der Beratung schildern Pädagog*innen immer wieder Situationen, in denen zum Beispiel Mobbing, Diskriminierung bzw. verschiedene Formen von Gewalt eine Rolle spielen. Auch das Erstarken von rechten und rechtsextremen Einstellungen und die Präsenz von Verschwörungserzählungen kommt in der Beratung an. Es gibt Auseinandersetzungen im Kollegium oder innerhalb der Schulgemeinschaft. Hinzu kommen Angriffe auf Berliner Schüler*innen auf Klassenfahrten, die nach unserem aktuellen Wissenstand mit rassistischen und ggf. auch rechtsextremen Einstellungen in Verbindung stehen. Wenn sich die begleitenden Lehrkräfte und Erzieher*innen bei uns melden, dann unterstützen wir sie und verweisen auch auf die Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus oder Diskriminierung.

Welche Art von Herausforderungen und Situationen können Kinder auf Klassenfahrten im Zusammenhang mit Rassismus und Rechtsextremismus erleben?

Bei Klassenfahrten begeben sich Schüler*innen und Lehrkräfte für mehrere Tage in ein neues, meist unbekanntes Umfeld und begegnen dort neuen Menschen. Rückzugsmöglichkeiten sind weniger gegeben und Ansprechstrukturen sowie Unterstützungsangebote sind unbekannt oder vielleicht kaum vorhanden. Im Idealfall entstehen durch die neuen Orte interessante Lernerfahrungen, im schlimmsten Fall kommt zu unangenehmen bis hin zu gefährlichen Begegnungen zum Beispiel mit anderen Jugendgruppen in der Unterkunft oder auf der Reise im Zug sowie mit fremden Personen außerhalb der Unterkunft. Dadurch, dass Rassismus weit verbreitet ist, ist leider eine Vielzahl von negativen Begegnungen denkbar. 

Welche präventiven Maßnahmen können Lehrer*innen ergreifen, um rassistische und rechtsextreme Vorfälle auf Klassenfahrten zu minimieren?

Prinzipiell ist es wichtig, dass Lehrkräfte auf die Schutzbedürfnisse Ihrer Schüler*innen achten und diese auch im Vorfeld von schulischen Ausflügen wahrnehmen. Gerade für Schüler*innen mit Diskriminierungserfahrungen kann eine Reise an unbekannte Orte mit Ängsten und Unsicherheiten einhergehen. Vorbeugend ist es sinnvoll, sich die potentiellen Gefahrensituationen zu vergegenwärtigen. Mit dem Wissen um die Diskriminierungserfahrungen von vielen jungen Menschen sollte der Zielort der Klassenfahrt mit Bedacht ausgewählt werden. Bei der Wahl des Zielortes sollte zum Beispiel geprüft werden, ob eine Präsenz rechtsextremer Akteur*innen bekannt ist und wie sich die politische Lage vor Ort darstellt. Diese Aspekte sollten bei der Planung eines Schulausflugs auf jeden Fall berücksichtigt werden.
In Bezug auf die Unterkünfte wäre es grundsätzlich hilfreich, wenn diese zum Beispiel auf Ihren Webseiten, in ihren Hausregeln etc. deutlich machen, dass ihnen Inklusion, Diversität und Diskriminierungsschutz wichtig sind und dass Diskriminierung, Rassismus und Gewalt nicht geduldet werden. Auch Informationen zum Umgang mit Vorfällen sind sinnvoll.

Im Falle einer akuten Situation, in der rassistische oder rechtsextreme Vorfälle auftreten, wie sollten Lehrer*innen reagieren? Welche Schritte sollten sie unternehmen?

An erster Stelle sollte der Schutz derjenigen stehen, die angegriffen werden. Je nach Situation kann auch eine Grenzsetzung durch die Pädagog*innen erfolgen, wenn sie sich damit nicht in Gefahr bringen. Dabei ist es ratsam, sich nicht auf einen Schlagabtausch auf der Ebene rechtsextremer oder rassistischer Parolen einzulassen und inhaltlich auf Provokationen einzugehen. Diese haben in der Regel nicht den Dialog und die sachliche Auseinandersetzung zum Ziel. In einer Krisensituation kann die Fahrtenleitung sich Hilfe beim Notfall- und Krisenteam der Schulpsychologie holen und bei der Notfallnummer anrufen. Aus einer geschützten Position heraus kann die Polizei verständigt werden.

Gibt es Organisationen, die Lehrerinnen und Lehrern in solchen Situationen zur Seite stehen können?

Ja, das ist das Gute. Die Lehrkräfte können sich in einem breitgefächerten Hilfesystem Unterstützung suchen. Neben der Schulpsychologie gibt es in Berlin Beratungsstellen, die auf die psychologische und auch rechtliche Beratung von Opfern rechter/ rassistischer Gewalt spezialisiert sind, das sind zum Beispiel Reach out, OPRA, OFEK. Für die pädagogische Aufarbeitung, den Ausbau von präventiven Maßnahmen und die Erarbeitung schulischer Leitfäden finden Pädagog*innen kompetente Ansprechpersonen bei der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, der Amadeu Antonio Stiftung u.v.a. Natürlich können die Pädagog*innen sich auch an den jeweiligen Landesverband der GEW wenden.

Ausführliche Infos im Leitfaden der GEW BERLIN und der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus.
Zum Leitfaden der GEW BERLIN 

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