„Man darf auch mal Fehler machen“ – Ein Gespräch über Ausbildung, Schule und Klassenfahrten

Im DJH Lehrerzimmer sprechen wir mit Dörte Krykorka-Weigand, Ausbildungsbeauftragte des DJH Landesverbands Hessen, und Paul Sarges, Herbergsleiter der Jugendherberge Wetzlar. Im Fokus: Wie Lehrkräfte ihre Schüler*innen besser auf das Berufsleben vorbereiten können, was das DJH als Ausbildungsbetrieb ausmacht – und warum Klassenfahrten dabei eine unterschätzte Rolle spielen.
Mathis: Warum ist es aus eurer Sicht so wichtig, dass Schulen ihre Schüler*innen gezielt auf das Berufsleben vorbereiten?
Dörte: Schule und Beruf sind zwei ganz unterschiedliche Welten. Viele junge Menschen sind gar nicht darauf vorbereitet, was sie im Berufsleben erwartet. Es fehlt oft das Bewusstsein dafür, welche Möglichkeiten es überhaupt gibt. Deshalb arbeiten wir aktiv mit Schulen zusammen – wir gehen auch in Schulen, stellen das DJH als Arbeitgeber vor und schaffen ein Bewusstsein: Bei uns kann man Karriere machen. Und zwar in einer echten Gemeinschaft – das ist der große Unterschied zu vielen Unternehmen da draußen.

Paul: Ich finde, es ist extrem wichtig, dass Schüler*innen vor der Ausbildung eine realistische Vorstellung vom Beruf bekommen. Zwei Wochen Schulpraktikum reichen dafür kaum aus. Man lernt da vielleicht das Team kennen – aber nicht den Beruf. Die hohe Abbruchquote in der Ausbildung zeigt, dass da was schiefläuft. Viele Schüler*innen wissen einfach nicht, worauf sie sich einlassen. Und ehrlich gesagt: Die Berufsorientierung an Schulen ist oft zu theoretisch. Lehrkräfte sind häufig in ihrer eigenen Bildungswelt gefangen und wissen nicht, wie es „da draußen“ wirklich läuft.
Mathis: Was müsste sich eurer Meinung nach an den Schulen ändern, damit Berufsorientierung besser gelingt?
Paul: Wie wär’s mit Praktikumswochen – für Schüler*innen und Lehrkräfte? Viele Lehrende haben nie erlebt, wie es in einem Betrieb abläuft. Wenn Lehrkräfte die Praxis besser kennen, können sie ihre Schüler*innen auch besser begleiten. Es geht nicht darum, alles selbst zu wissen – sondern darum, auch mal externe Expert*innen einzuladen und ihre Sicht ernst zu nehmen.
Dörte: Genau! Und warum nicht auch mal ein ganzes Jahr ein Praktikum begleiten – wie im Fachabi? Zwei Tage in der Woche im Betrieb – das wäre doch was! Und Lehrkräfte könnten zeitgleich auch mal in Unternehmen reinschnuppern. So könnten beide Seiten voneinander lernen. Es geht um echten Austausch – nicht nur Theorie.
Mathis: Welche Ausbildungsberufe bietet das DJH eigentlich an?
Paul: In Wetzlar bilden wir aktuell in den Bereichen Kaufleute für Büromanagement und Koch/Köchin aus. Perspektivisch kommt noch das Hotelfach dazu. Besonders am DJH ist: Unsere Azubis lernen nicht nur Theorie, sondern sind wirklich mittendrin – zum Beispiel in der Gästeplanung, im Lieferantenmanagement oder an der Rezeption. Sie übernehmen Verantwortung und bekommen Raum, sich zu entwickeln.
Dörte: Und es gibt auch dual Studierende bei uns, etwa in Kooperation mit der Uni Rödermark. Wir investieren bewusst in unseren Nachwuchs – auch, um Führungskräfte von morgen zu gewinnen. In den vergangenen Jahren sind zum Beispiel mehrere mobile Assistent*innen direkt in die Hausleitung gewechselt.
Mathis: Ihr seid als Jugendherberge Wetzlar systematisch in die Rolle als Ausbildungsbetrieb hineingewachsen. Was bedeutet das für euch?
Paul: Sehr viel! Ausbildung verändert das ganze Haus. Wir haben aktuell ein sechsköpfiges Azubi-Team. Die arbeiten eigenständig, machen Fehler – und lernen daraus. Fehler sind bei uns erlaubt. Das ist keine Floskel, sondern gelebte Kultur. Denn wer keine Angst hat, macht schneller Fortschritte. Und: Ausbildung bedeutet auch, sich als Team weiterzuentwickeln. Unsere jungen Kolleg*innen bringen frischen Wind rein – und das tut dem ganzen Haus gut.
Mathis: Was sollten Schüler*innen mitbringen, wenn sie sich für eine Ausbildung beim DJH interessieren?
Dörte: Engagement und Teamgeist! Ich achte zum Beispiel darauf, ob jemand sich im Verein engagiert – das zeigt, dass man Gemeinschaft kennt und schätzt. Soft Skills sind oft wichtiger als Schulnoten.
Paul: Ich will wissen: Was willst du in den nächsten drei Jahren lernen? Wenn jemand nur auf den Abschluss schielt, passt das nicht. Ich wünsche mir Bewerber*innen, die Lust haben, diesen Weg gemeinsam zu gehen – mit uns. Schulabschlüsse? Klar wichtig, aber kein Ausschlusskriterium. Entscheidend ist die Haltung.
Mathis: Was können Klassenfahrten zur Berufsvorbereitung beitragen?
Paul: Eine ganze Menge! Unsere Programme wie Job-Fitness-Klassenfahrt oder Karriere-Klassenfahrt bieten Schüler*innen die Chance, sich mal anders zu erleben – außerhalb des gewohnten Schulkontexts. Und Lehrkräfte bekommen einen anderen Zugang zu ihren Schüler*innen. Die Programme helfen, Soft Skills zu entdecken und realistische Berufsbilder zu vermitteln – und das in einer lockeren, positiven Atmosphäre.
Mathis: Gibt es Erfolgsgeschichten von Azubis im DJH?
Dörte: In Wetzlar sind wir ja noch am Anfang – aber gib uns zwei Jahre, dann können wir da einiges erzählen! In anderen Häusern sehen wir jetzt schon, dass ehemalige Azubis Hausleitungen übernehmen oder im Landesverband Karriere machen. Das DJH bietet echte Aufstiegschancen.
Mathis: Und zum Schluss: Habt ihr praktische Tipps für Lehrkräfte, wie sie ihre Schüler*innen besser auf die Ausbildung vorbereiten können?
Dörte: Einfach mal mit den Schüler*innen in Betriebe reinschauen – gemeinsam! Und vielleicht mal fragen: Was wollt ihr nicht machen? Das hilft oft mehr, als nur nach den Stärken zu suchen. So entsteht eine realistischere Vorstellung vom Berufsleben.
Paul: Mein Tipp: Vernetzen, reden, offen sein. Lehrer*innen sollten wissen, was ihre Schüler*innen in der Freizeit machen – das zeigt oft mehr über deren Potenzial als Zeugnisse. Und ja – kommt nach Wetzlar! Unsere Jugendherberge ist nicht nur ein toller Ort für Klassenfahrten, sondern auch für Berufsorientierung und Austausch. Wer einmal da war, kommt gerne wieder.
Fazit: Das DJH macht nicht nur Reisen möglich – sondern auch Zukunft. Wer seine Schüler*innen praxisnah und mit Herz auf den Beruf vorbereiten möchte, findet in den Jugendherbergen starke Partner.
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