Erlebnispädagogik hautnah: Campus Galli als lebendiges Geschichtserlebnis
Sonja Fecht ist eine treibende Kraft hinter dem einzigartigen Projekt Campus Galli. In unserem Interview gibt sie spannende Einblicke in ihre vielseitige Rolle, die das Organisieren der Museumspädagogik, die Ausbildung der Gästeführer, sowie Aufgaben im Marketing und der Verwaltung umfasst. Sie erklärt, warum Campus Galli sich von anderen historischen Bildungsstätten abhebt und wie ein typischer Besuch für Schulklassen aussieht. Dabei wird deutlich, wie das Projekt historische Handwerkstechniken und Nachhaltigkeit erlebbar macht und welchen Mehrwert es für Lehrkräfte und Schüler*innen bietet.
Einblicke in die Arbeit bei Campus Galli
Sonja, könntest du dich und deine Rolle bei Campus Galli bitte kurz vorstellen?
Mein Name ist Sonja Fecht und ich bin seit neun Jahren im Projekt Campus Galli aktiv. Meine Aufgaben umfassen die Organisation der Museumspädagogik und die Ausbildung der Gästeführer. Zusätzlich bin ich im Marketing und in der Verwaltung tätig. Während ich in den Sommermonaten viel Zeit mit unseren Gästen auf dem Gelände verbringe, arbeite ich in den Wintermonaten überwiegend am Schreibtisch.
Einzigartigkeit und Bildungsangebote von Campus Galli
Was macht das Projekt Campus Galli so besonders und einzigartig im Vergleich zu anderen historischen Bildungsstätten?
Ein wesentlicher Unterschied ist sicherlich, dass wir eine aktive Baustelle sind. Dadurch, dass hier etwas Neues entsteht, gleicht kein Tag dem anderen. Die Baustelle entwickelt sich ständig weiter und die Besucher sehen die Handwerker bei der Arbeit, die an diesem Tag für die Baustelle notwendig ist. Jedes hergestellte Werkstück wird benötigt und verbaut. Dies unterscheidet uns deutlich von Handwerksvorführungen und Ausstellungen.
Es ist uns wichtig, alte Handwerkstechniken zu bewahren und diese an die Besucher zu vermitteln. Unsere Handwerker nehmen sich Zeit, die Fragen der Besucher zu beantworten, sodass Wissen direkt weitergegeben werden kann.
Weiterhin können sich Personen ab 16 Jahren für eine Mitarbeit auf unserer Baustelle melden. So wird man ein Teil des Projektes und kann seinen eigenen Beitrag direkt auf der Baustelle leisten. Es ist ebenso möglich, bei uns ein FSJ im Rahmen der Jugendbauhütte Baden-Württemberg zu absolvieren. Darüber hinaus arbeiten wir mit Berufsschulklassen zusammen, um sicherzustellen, dass das ursprüngliche Handwerk auch in der heutigen, oftmals computergesteuerten Zeit, nicht verloren geht.
Wie sieht ein typischer Tag für Schüler*innen-Gruppen aus, die an den Programmen von Campus Galli teilnehmen?
Die meisten Schulklassen besuchen uns vormittags und buchen eine Führung über unsere Baustelle. Dabei nehmen wir die Schülerinnen und Schüler mit auf eine spannende Reise ins frühe Mittelalter. Da wir auf unserer Baustelle ausschließlich von Hand und ohne moderne Maschinen arbeiten, die Mitarbeiter frühmittelalterliche Kleidung tragen und die Gästeführer spannende Aufgaben präsentieren, erfahren die Schülerinnen und Schüler viel über die Handwerkstechniken und den Alltag des frühen Mittelalters.
Je nachdem, wie viel Zeit die Gruppe im Anschluss hat, erkunden sie nach der Führung die Baustelle auf eigene Faust. Viele Schulklassen nutzen hierfür unsere Entdeckertour, ein Heft mit 18 Aufgaben, die an den einzelnen Werkstätten gelöst werden müssen.
Natürlich darf auch eine Pause nicht fehlen. Dafür stehen ausreichend Tische und Bänke am Marktplatz zur Verfügung.
Welche speziellen Bildungsangebote bietet Campus Galli in Zusammenarbeit mit den Jugendherbergen für Schulklassen an?
Wir bieten 70-minütige Kinder- und Jugendführungen sowie 150-minütige „Begreifen“-Führungen an. In beiden Führungen lernen die Schülerinnen und Schüler einen Teil unseres Geländes kennen, und die Gästeführer erklären anschaulich und kindgerecht, was bei Campus Galli gemacht wird und wie die Menschen vor 1200 Jahren lebten und arbeiteten. Wie der Name schon sagt, haben wir bei der „Begreifen“-Führung die Zeit, manche Arbeiten genauer anzuschauen und uns intensiver mit Themen zu beschäftigen. So können z.B. Feuer gemacht, Wolle verarbeitet, Seile gedreht werden oder die Schülerinnen und Schüler dürfen selbst das Handwerk des Steinmetzes ausprobieren.
Erlebnisse und Vorteile für Schulklassen
Welche Vorteile siehst du für Lehrkräfte und ihre Schüler*innen bei einem Besuch von Campus Galli?
Wir können bei uns wunderbar an den Lehrstoff anknüpfen und erlebbar machen, was in den Geschichtsbüchern oft nüchtern vermittelt wird. Vom Thema Frühmittelalter und Kloster, Grundherrschaft, Entstehung von Siedlungen, Landwirtschaft und Nahrung, Textilherstellung bis hin zur Nachhaltigkeit und Artenvielfalt können wir ein großes Spektrum an Beispielen zeigen und diese somit begreifbar vermitteln. Themen aus dem Unterricht können dadurch anschaulich erklärt und vertieft werden.
Könntest du uns ein besonderes Erlebnis oder eine Rückmeldung von einer Schulklasse teilen, die Campus Galli besucht hat?
Oft sind die Schülerinnen und Schüler zu Beginn der Führung noch nicht sonderlich motiviert. Eine Dauer von 2,5 Stunden scheint im ersten Moment viel zu lang. Wenn die Führung dann endet, hören wir allerdings sehr oft Aussagen wie: „Was? Die Führung ist schon zu Ende?“, „Das hat sich angefühlt wie eine Stunde.“, „Können wir nicht noch etwas machen?“ Die Aussage „Ich habe mein Handy gar nicht vermisst“ übertrifft vermutlich alle anderen Rückmeldungen zusammen.
Nachhaltigkeit und praktische Tipps für Lehrkräfte
Wie werden bei euren Programmen die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz integriert, und warum sind diese wichtig?
In diesem Bereich können wir uns viel von unseren Vorfahren abschauen. Die erste Berührung zu diesem Thema erleben die Schülerinnen und Schüler bereits im Eingangsbereich, wenn sie einen Mülleimer suchen. Müll ist ein modernes Problem, das die Menschen im Frühmittelalter nicht kannten. Auf unserem Gelände stehen für Besucher natürlich Mülleimer bereit, auch wenn diese aus Holz hergestellt sind, bemerken selbst kleinere Kinder sofort, dass es sich nicht um frühmittelalterliche Mülleimer handelt. Dass die Menschen alles wieder weiterverarbeitet haben, erfahren wir dann an jeder Werkstatt.
Steine wurden, wenn möglich, von Abbruchhäusern verwendet. Fällt Baumrinde bei der Bearbeitung ab, wird diese zum Abdecken des Brennholzes genutzt. Kleidung wird immer wieder geflickt, Werkzeuge repariert. Unsere Vorfahren waren Experten im Recyceln und waren dazu auch noch fähig, alles, was sie benötigten, aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen.
Weiterhin können wir auf unserem Gelände mittlerweile eine große Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren nachweisen. Im Verhältnis zu heutigen Baustellen und zur heutigen Landwirtschaft gehen unsere Arbeiten ruhiger und langsamer voran, was den Tieren ein Ausweichen auf andere Flächen ermöglicht. Weiterhin entstehen durch die Lagerung von Brennholz und Steinen viele Möglichkeiten, die Tiere für ihre Unterkunft nutzen können.
Die Entwicklung von Flora und Fauna wird auf unseren Weiden schnell erkennbar. Wo sich eine artenreiche Flora entwickeln kann, findet man auch eine artenreiche Fauna. Viele Insekten werden von der Vielfalt der Pflanzen angelockt – diese locken wiederum viele Vögel an.
Was möchtest du Lehrkräften abschließend mit auf den Weg geben, die einen Besuch bei Campus Galli für ihre Schulklasse in Erwägung ziehen?
Wenn der Besuch im Vorfeld schon besprochen wird, sind die Schülerinnen und Schüler neugieriger, motivierter und finden sich schneller zurecht. Schulklassen sind heterogen hinsichtlich ihrer Herkunft und Religion, daher ist es von Vorteil, wenn Begriffe wie „Kloster“ und „Mönch“ vor dem Besuch besprochen werden. Essenspausen, Handynutzung und Besucherregeln sollten im Vorfeld geklärt sein.
„Wenn der Besuch das aktuelle Unterrichtsthema ergänzen kann, lassen Sie es unsere Gästeführer wissen, so können wir diese Themen aufgreifen.“
Für Lehrkräfte, die einen Besuch bei Campus Galli in ihre Klassenfahrt integrieren möchten, bietet die Jugendherberge Leibertingen-Wildenstein ein spezielles Programm an. Weitere Informationen dazu findest du hier.
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